Katastrophenerlass tritt in Kraft

Katastrophenerlass: Finanzverwaltung NRW gewährt steuerliche Entlastungen

Das Regentief „Bernd“ hat insbesondere den Westen Deutschlands mit voller Wucht getroffen. Zahlreiche Todesfälle, überflutete Straßen, eingestürzte Häuser und abgeschnittene Städte: Die Verwüstungen, die die verheerenden Überschwemmungen angerichtet haben, sind dramatisch – für Menschen, Unternehmen und Umwelt. Viele stehen nach den Fluten vor den Trümmern ihrer Existenz. Die Finanzverwaltung Nordrhein-Westfalens hat kurzfristig einen Katastrophenerlass in Kraft gesetzt, der die vom Unwetter betroffenen Bürger entlasten soll. Der Katastrophenerlass sieht über 30 steuerliche Unterstützungsmaßnahmen vor. Dazu gehören Sonderabschreibungsmöglichkeiten für den Wiederaufbau oder die steuerliche Abzugsfähigkeit von Kosten für die Wiederbeschaffung von Hausrat und Kleidung sowie die Beseitigung von Schäden an selbst genutztem Wohneigentum. Zudem sollen die Finanzämter die betroffenen Steuerzahler mit Stundungen von Steuern und reduzierten Vorauszahlungen entgegenkommen.

Der unmittelbar nach der Hochwasser-Katastrophe in Kraft getretene Katastrophenerlass sieht in der Fassung vom 16. Juli 2021 insbesondere folgende Entlastungen für die Steuerpflichtigen vor:

Stundungs- und Vollstreckungsmaßnahmen sowie Anpassung der Vorauszahlungen

  • Steuerpflichtige, die nachweislich unmittelbar und nicht unerheblich vom Hochwasser betroffen sind, können bis zum 31. Oktober 2021 unter Darlegung ihrer Verhältnisse Stundungsanträge bezüglich der bis zu diesem Zeitpunkt bereits fälligen oder fällig werdenden Steuern des Bundes und des Landes sowie Anträge auf Anpassung der Vorauszahlungen auf die Einkommensteuer bzw. die Körperschaftsteuer stellen. Die Stundungen sind längstens bis zum 31. Januar 2022 zu gewähren.
  • Stundungsanträge bezüglich Steuern, die nach dem 31. Oktober 2021 fällig werden sowie Anträge auf Anpassung der Vorauszahlungen sind besonders zu begründen.

Nachweis steuerbegünstigter Zuwendungen

  • Statt einer Zuwendungsbestätigung genügt als Nachweis der Zuwendungen, die bis zum 31. Oktober 2021 zur Hilfe in Katastrophenfällen auf ein für den Katastrophenfall eingerichtetes Sonderkonto einer inländischen juristischen Person des öffentlichen Rechts, einer inländischen öffentlichen Dienststelle oder eines inländischen amtlich anerkannten Verbandes der freien Wohlfahrtspflege einschließlich seiner Mitgliedsorganisationen eingezahlt oder bis zur Einrichtung des Sonderkontos auf ein anderes Konto der genannten Zuwendungsempfänger eingezahlt werden, der Bareinzahlungsbeleg oder die Buchungsbestätigung eines Kreditinstitutes (z. B. der Kontoauszug, Lastschrifteinzugsbeleg oder der PC-Ausdruck bei Online-Banking). Wird die Zuwendung über ein als Treuhandkonto geführtes Konto eines Dritten auf eines der genannten Sonderkonten eingezahlt, genügt als Nachweis der Bareinzahlungsbeleg oder die Buchungsbestätigung des Kreditinstituts des Zuwendenden zusammen mit einer Kopie des Bareinzahlungsbelegs oder der Buchungsbestätigung des Kreditinstituts des Dritten (§ 50 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStDV).

Spendenaktionen von gemeinnützigen Körperschaften für durch das Hochwasser geschädigte Personen

  • Nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 AO ist es einer gemeinnützigen Körperschaft grundsätzlich nicht erlaubt, Mittel für steuerbegünstigte Zwecke zu verwenden, die sie nach ihrer Satzung nicht fördert. Ruft eine gemeinnützige Körperschaft, die nach ihrer Satzung keine hier in Betracht kommenden Zwecke wie insbesondere mildtätige Zwecke verfolgt (z. B. Sport- oder Musikverein) zu Spenden zur Hilfe für die Hochwasser-Opfer auf und kann sie die Spenden nicht zu Zwecken, die sie nach ihrer Satzung fördert, verwenden, gilt folgende Sonderregelung: Im Hinblick auf die Steuerbegünstigung der gemeinnützigen Körperschaft, die nach ihrer Satzung keine z.B. mildtätigen Zwecke verfolgt oder regional gebunden ist, ist es unschädlich, wenn sie Mittel, die sie im Rahmen einer Sonderaktion für die Hilfe für Opfer des Hochwassers erhalten hat, ohne entsprechende Änderung ihrer Satzung für den angegebenen Zweck verwendet. Voraussetzung ist, dass die Spenden entweder an eine steuerbegünstigte Körperschaft, die z.B. satzungsgemäß mildtätige Zwecke verfolgt, oder an eine inländische juristische Person des öffentlichen Rechts bzw. an eine inländische öffentliche Dienststelle zur Hilfe für die Opfer des Unwetters in NRW weitergeleitet werden. Die gemeinnützige Einrichtung, die die Spenden gesammelt hat, muss entsprechende Zuwendungsbestätigungen für Spenden bescheinigen, die sie für die Hilfe für Opfer des Hochwassers in Nordrhein-Westfalen erhält und verwendet. In der Zuwendungsbestätigung ist auf die Sonderaktion hinzuweisen.

Verlust von Buchführungsunterlagen

  • Sind als unmittelbare Folge des Hochwassers Buchführungsunterlagen und sonstige Aufzeichnungen vernichtet worden oder verloren gegangen, so sind hieraus steuerlich keine nachteiligen Folgerungen zu ziehen. Steuerpflichtige sollten die Vernichtung bzw. den Verlust zeitnah dokumentieren und soweit wie möglich nachweisen oder glaubhaft machen können.

 Sonderabschreibungen beim Wiederaufbau von Betriebsgebäuden

  • Werden ganz oder zum Teil zerstörte Betriebsgebäude wiederaufgebaut, können Aufwendungen zum Wiederaufbau (Ersatzherstellung), soweit es sich nicht ohnehin im Erhaltungsaufwand handelt, auf Antrag im Wirtschaftsjahr der Fertigstellung und in den beiden folgenden Wirtschaftsjahren (Begünstigungszeitraum) von den Herstellungs- bzw. Wiederherstellungskosten Sonderabschreibungen bis zum insgesamt 30 Prozent vorgenommen werden. Die AfA ist dabei nach der vor dem Schadensereignis maßgeblichen Bemessungsgrundlage, gemindert um eine etwa aus Anlass des Schadens vorgenommene Teilwertabschreibung oder Absetzung für außergewöhnliche Abnutzung und erhöht um die Wiederherstellungskosten, zu berechnen. Nach Ablauf des Begünstigungszeitraums ist die AfA vom Restwert zu bemessen.
  • Die Sonderabschreibung kann nur in Anspruch genommen werden, wenn mit der Ersatzherstellung oder Ersatzbeschaffung bis zum Ablauf des dritten dem Wirtschaftsjahr des schädigenden Ereignisses folgenden Wirtschaftsjahres begonnen wurde.

Sonderabschreibungen bei Ersatzbeschaffung beweglicher Anlagegüter

  • Werden vernichtete oder verloren gegangene bewegliche Anlagegüter ersetzt, indem Ersatz angeschafft oder hergestellt wird, können auf Antrag im Wirtschaftsjahr der Anschaffung oder Herstellung und in den beiden folgenden Wirtschaftsjahren (Begünstigungszeitraum) Sonderabschreibungen bis zu insgesamt 50 Prozent der Anschaffungs- oder Herstellungskosten vorgenommen werden. Nach Ablauf des Begünstigungszeitraumes ist die AfA nach dem Restwert und der Restnutzungsdauer zu bemessen.
  • Die Sonderabschreibung kann nur in Anspruch genommen werden, wenn mit der Ersatzherstellung oder Ersatzbeschaffung bis zum Ablauf des dritten dem Wirtschaftsjahr des schädigenden Ereignisses folgenden Wirtschaftsjahres begonnen wurde.

Bildung von Rücklagen

  • In besonders begründeten Ausnahmefällen ist auf Antrag die Bildung von Rücklagen beim Wiederaufbau von Betriebsgebäuden (Fall 1) bzw. bei der Ersatzbeschaffung beweglicher Anlagegüter (Fall 2) nach folgender Maßgabe vorgesehen: Für die Ersatzbeschaffung kann in Wirtschaftsjahren vor dem Wirtschaftsjahr der Ersatzherstellung (Fall 1) bzw. Ersatzbeschaffung (Fall 2) die Bildung einer Rücklage zugelassen werden. Solche Ausnahmefälle können vorliegen bei außergewöhnlich hohen Teilherstellungskosten oder Anzahlungen oder wenn die Zulassung von Sonderabschreibungen nicht ausreicht, um die Finanzierung der Maßnahmen zur Beseitigung der Schäden zu sichern. Die Rücklage darf zusammen 30 Prozent (Fall 1) bzw. 50 Prozent (Fall 2) der Anschaffungs- oder Herstellungskosten der Ersatzwirtschaftsgüter nicht übersteigen.
  • Die Gewinnminderung durch Sonderabschreibungen und Bildung von Rücklagen darf insgesamt höchstens 600.000 € betragen; sie darf in keinem Jahr 200.000 € übersteigen. Höhere Sonderabschreibungen und Rücklagen können mit Zustimmung des Bundesministeriums der Finanzen im Einzelfall zugelassen werden, wenn sie bei erheblichen Schäden zur Milderung der eingetretenen Notlage erforderlich erscheinen.
  • Werden für die o.g. Schäden Entschädigungen, insbesondere auf Grund einer Versicherung, gewährt und werden stille Reserven nach R 6.6 EStR übertragen, sind die nach dem Katastrophenerlass zulässigen Sonderabschreibungen und Rücklagen für die Ersatzwirtschaftsgüter nach ihren Anschaffungs- oder Herstellungskosten, vermindert um die Entschädigungen, zu bemessen.

Wiederherstellung beschädigter Betriebsgebäude und Seite 7 von 13 beschädigter beweglicher Anlagegüter

  • Im Bereich der Aufwendungen für die Wiederherstellung beschädigter Betriebsgebäude und beschädigter beweglicher Anlagegüter gibt es eine weitere Sonderregelung: Derartige Aufwendungen können nämlich ohne nähere Prüfung als Erhaltungsaufwand anerkannt werden, wenn mit der Wiederherstellung innerhalb von drei Jahren nach dem Hochwasser begonnen wurde und die bisherigen Buchwerte fortgeführt werden. Bei Gebäuden gilt dies allerdings nur, wenn die Aufwendungen 70.000 € nicht übersteigen. Dabei ist von den gesamten Aufwendungen auszugehen, auch wenn diese teilweise durch Entschädigung gedeckt sind. Höhere Aufwendungen können bei Gebäuden nach Prüfung des Einzelfalls ebenso als Erhaltungsaufwendungen anerkannt werden. Der Abzug als Erhaltungsaufwand kommt nur insoweit in Betracht, als die Aufwendungen des Steuerpflichtigen die Entschädigungen übersteigen und der Steuerpflichtige wegen des Schadens keine Absetzung für außergewöhnliche technische oder wirtschaftliche Absetzungen vornimmt.

Beseitigung von Hochwasserschäden am Grund und Boden

  • Fallen am Grund und Boden Aufwendungen zur Beseitigung der Hochwasserschäden an, können diese sofort als Betriebsausgaben abgezogen werden. Das Gleiche gilt für Aufwendungen zur Wiederherstellung von Hofbefestigungen und Wirtschaftswegen, wenn der bisherige Buchwert beibehalten wird.

Besonderer Erhaltungsaufwand größeren Umfangs

  • Liegt Erhaltungsaufwand größeren Umfangs im oben genannten Sinne vor, kann dieser auf Antrag gleichmäßig auf zwei bis fünf Jahre verteilt werden.

Lohnsteuer: Unterstützung an Arbeitnehmer

  • Beihilfen und Unterstützungen des Arbeitgebers an seine Arbeitnehmer können unter bestimmten Voraussetzungen steuerfrei sein. Unterstützungen, die von dem Hochwasser betroffene Arbeitnehmer von ihrem Arbeitgeber erhalten, sind unter folgenden Voraussetzungen steuerfrei: Unterstützungen sind bis zu einem Betrag von 600 € je Kalenderjahr steuerfrei, wobei der 600 € übersteigende Betrag dann nicht zum steuerpflichtigen Arbeitslohn gehört, wenn unter Berücksichtigung der Einkommens- und Familienverhältnisse des Arbeitnehmers ein besonderer Notfall vorliegt. Im Allgemeinen kann bei vom Hochwasser betroffenen Arbeitnehmern von einem besonderen Notfall ausgegangen werden. Die steuerfreien Leistungen sind im Lohnkonto aufzuzeichnen. Es ist auch zu dokumentieren, dass der die Leistung empfangende Arbeitnehmer durch das Hochwasser zu Schaden gekommen ist
  • Unterstützungen, die in Form von sonst steuerpflichtigen Zinsvorteilen oder in Form von Zinszuschüssen gewährt werden, ist die vorstehende Regelung ebenfalls anzuwenden. Hieraus folgt, dass Zinszuschüsse und Zinsvorteile bei Darlehen, die zur Beseitigung von Hochwasserschäden aufgenommen worden sind, ebenfalls steuerfrei sind, und zwar während der gesamten Laufzeit des Darlehens. Voraussetzung hierfür ist, dass das Darlehen die Schadenshöhe nicht übersteigt. Bei längerfristigen Darlehen sind Zinszuschüsse und Zinsvorteile insgesamt nur bis zu einem Betrag in Höhe des Schadens steuerfrei.

Lohnsteuer: Arbeitslohnspende

  • Verzichten Arbeitnehmer auf die Auszahlung von Teilen des Arbeitslohns oder auf Teile eines angesammelten Wertguthabens zugunsten einer Beihilfe des Arbeitgebers an vom Hochwasser betroffene Arbeitnehmer des Unternehmens oder zugunsten einer Zahlung des Arbeitgebers auf ein Spendenkonto einer spendenempfangsberechtigten Einrichtung, bleiben diese Lohnteile bei der Feststellung des steuerpflichtigen Arbeitslohns außer Ansatz, wenn der Arbeitgeber die Verwendungsauflage erfüllt und dies dokumentiert. Der außer Ansatz bleibende Arbeitslohn ist im Lohnkonto aufzuzeichnen, ist nicht in der Lohnsteuerbescheinigung anzugeben und darf im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung nicht als Spende angesetzt werden.

Außergewöhnliche Belastungen: Aufwendungen für existenziell notwendige Gegenstände (Wohnung, Hausrat, Kleidung)

  • Aufwendungen für die Wiederbeschaffung von Hausrat und Kleidung und für die Beseitigung von Schäden an dem eigengenutzten Wohneigentum können als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden.