Für und Wider – Wie gerecht ist Deutschland?

Steuerrecht im Zeichen der Wahl im öffentlichen Fernsehen oder ein Abend im ZDF

Am 05.08.2021 lief im ZDF die in der Überschrift genannte und von Dunja Hayali und Andreas Wunn moderierte einstündige Sendung. Eingeladen waren von Politikerseite der Kanzlerkandidat und Finanzminister Olaf Scholz (SPD) und der Fraktionsvorsitzende der CDU und ehem. Steuerberater Ralf Brinkhaus. Als Gäste zur Verdeutlichung der gegenseitigen Perspektiven war auf der einen Seite eine Frau Angela Webster, eine Supermarktkassiererin und Frau Alice Dreikorn (53), eine (selbständige?) Kosmetikerin sowie von der Unternehmerseite Frau Sarna Röser (34) (Vorsitzende der Jungen Unternehmer), die Mitgesellschafterin (?) der Zementrohr– und Betonwerke Karl Röser GmbH (Bilanzsumme lt. Unternehmensregister 2019 € 4,1 Mio.) ist und der schillernde Jens Hilbert (43), im kanariengelben Anzug gestylter Franchisenehmer und heutiger Geschäftsführer des auf Enthaarung spezialisierten Unternehmens Hairfree Betriebs GmbH (lt. Unternehmensregister Bilanzsumme 2019 € 0,4 Mio.) und Gewinner der Fernsehreihe „Promi Big Brother“ und Teilnehmer des „Dschungel Camps“. Als sonstige Gäste waren geladen Frau Stefanie Bremer (31), von Beruf Studentin (!), nach eigenen Angaben € 10 Mio. „schwer“ („nicht auf dem Konto, sondern Unternehmensanteile oder das Haus, in dem ich wohne“) und Herr Gottfried Härle (geschätzt 70), Inhaber einer Brauerei im Allgäu (unter € 10 Mio Umsatz), und unternehmensseitig Mitglied im Bundesverband der grünen Wirtschaft.

Die ergänzenden Anmerkungen zu den Tätigkeiten und zum Alter stammen aus dem Internet. Ob dieser Gästekreis repräsentativ ist, möge der Leser selbst entscheiden.

Der gewählte Teilnehmerkreis zeigt aber durchaus die die Gratwanderung des Fernsehens zwischen Information und Unterhaltung. Gleichzeitig wird aber auch offensichtlich, wie durch Einladung der Gäste bereits eine Meinung beeinflusst wird und die Moderatoren insb. beim Steuerrecht ihre Grenzen finden.

„Die Schere zwischen arm und reich geht immer weiter auseinander. Wann ist man reich?“

Profi-Scholz: „Mit meinem Jahreseinkommen von € 200.000,00 bin ich sicher reich.“ Brinkhaus: „Ab einem Netto-Einkommen von € 3.500,00 ist man reich!“.

Diese Aussagen sind schon allein deshalb verwegen, als nur vom Einkommen und nicht vom Vermögen gesprochen wird. Darüber hinaus sind sie deshalb fragwürdig, weil der Begriff des Einkommens sich auf das klassische monatliche Einkommen eines Arbeitnehmers, Bundestagsabgeordneten und Finanzministers bezieht. Wie bekommt man für den normalen Fernsehzuschauer, der vor dem Fernseher sitzend vielleicht gerade seine Cräcker als muffig empfindet, den im Steuerrecht wichtigen Gewinnbegriff verdeutlicht. Ein Unternehmer, der € 1 Mio. Gewinn zu versteuern hat und nach Steuerzahlung für seinen Betrieb Maschinen kauft, ist natürlich um den Wert der Maschinen reicher geworden. Dabei handelt es sich jedoch um gebundenes Vermögen, das sich bei bestehendem Unternehmerrisiko durch Verluste sehr schnell mindern kann. Mit Inzahlunggabe der Maschine kann man im Reisebüro keine Reise buchen oder im Supermarkt seinen Einkauf bezahlen. Ob somit ein Unternehmer mit einem Jahresgewinn von € 200.000,00 als reich anzusehen ist, ist zumindest diskussionswürdig. Ob jemand mit einem monatlichen Netto-Einkommen von € 3.500,00 als reich anzusehen ist, hängt sicher von der Perspektive ab: Ein, wie es immer heißt, hart arbeitender Facharbeiter wird dieses anders sehen als eine Kassiererin in einem Supermarkt. Zumindest steuerlich gilt man bei einem Netto-Monatseinkommen von € 3.500,00 als reich.

Die erste Stellungnahme von Frau Webster als systemrelevante Supermarkt-Kassiererin war nicht überraschend: „Es war gut, dass man unsere Bedeutung erkannt hat, und wir sind auch dankbar für den Applaus. Nur von dem Applaus ist nicht viel übriggeblieben, und davon kann man auch nicht den Kühlschrank füllen oder Lebensmittel kaufen. Wir haben das Problem, dass die Bundesregierung nur Politik für die Besserverdienenden macht und uns komplett vergessen hat. Also wir kleinen Leute, die das ganze Land unterstützen und hart gearbeitet haben, für uns bleibt letztlich nichts übrig. Die Reichen werden immer reicher und die Armen werden immer ärmer. Es wird mal langsam Zeit, dass sich das mal umkehrt und dass wir, die wirklich die Mehrheit bilden, dass auch mehr für uns übrig bleibt. Es kann nicht sein, dass ein kleiner Teil in Deutschland das meiste besitzt.“

Dieser „Elfer“ wurde von Herrn Scholz baukastenmäßig durch Abspulen des SPD-Programms verwandelt: „Es darf nicht für die systemrelevanten Berufe beim Beifall bleiben. Deshalb bin ich für die Erhöhung des Mindestlohnes auf 12 Euro und ein gerechtes Steuersystem.“

Herr Brinkhaus verwies auf die Leistungen der letzten Legislaturperiode und die Wichtigkeit einer gut „brummenden“ Wirtschaft, in der die Arbeitgeber gezwungen sind, die Arbeitnehmer besser zu bezahlen, während Frau Röser als Unternehmervertreterin darlegte: „Wir haben kein Einnahmen- sondern ein Ausgabenproblem. Ich erwarte von dem Finanzminister eine Prioritätensetzung, wie wir Steuergelder verwenden. Bei der Frage, wie gerecht Deutschland ist, tragen die starken Schultern schon mehr. Die oberen 10% der Steuerzahler zahlen bereits 55% der Einkommensteuern. Deutschland ist gerecht.“

Sie verwies weiter nicht nur auf das einmalige deutsche soziale Sicherungssystem und betonte, die Wichtigkeit auf Wachstum „nach der der größten Krise“ zu achten, sondern erwähnte auch die hohen Sozialausgaben, wobei allein nicht in der Pandemie angerührte bestehende Rücklagen von € 48 Mrd. für Renten und Pensionen beständen.

Scholz meinte, man habe Kredite bis Ende 2021 für € 400 Mrd. im Rahmen der Pandemie aufgenommen, um fast 200 Mrd. Hilfen an Unternehmen zu zahlen, wie u.a. Kurzabeitergeld, damit die Unternehmen durch die Krise kommen und Arbeitsplätze erhalten bleiben. Mit „flockigen Sprüchen“ hinsichtlich falscher Prioritätensetzung komme man nicht weiter. Aus dem Bundeshalt würden richtigerweise € 100 Mrd. für Rentenzuschüsse ausgegeben.

Für den Zuschauer der Sendung waren diese Zahlen sicher kaum nachvollziehbar: Völlig populistisch war Scholz allerdings dann, wenn er Steuersenkungen vor dem Hintergrund der Corona-Hilfen an Unternehmen ausdrücklich als unmoralisch bezeichnet. Mit den Corona-Hilfen sollten Arbeitsplätze und nicht Gewinne von Unternehmen gesichert werden. Das Kurzarbeitergeld wird aus der Arbeitslosenversicherung finanziert, zu der grundsätzlich Arbeitgeber und Arbeitnehmer beitragen. Lt. Auskunft der Bundesanstalt für Arbeit vom 26.02.2021 betrug der Zuschuss aus dem Bundeshaushalt „lediglich“ € 7 Mrd. Die Frage nach Höhe der Sozialausgaben war sicher nicht unberechtigt: Der Staat lenkte lt. dem neuesten Sozialbericht der Bundesregierung mehr als ein Drittel der gesamten Wirtschaftsleistung in Sozialleistungen um. In absoluten Zahlen waren das in 2020 € 1,19 Billionen. Der Anteil der Sozialabgaben am Bundeshaushalt (Ausgaben fast € 500 Mrd.) liegt bei über 50%.

Herr Brinkhaus kam dann auf die verschiedenen Zukunftskonzeptionen („Wir müssen ja ein bisschen polarisieren. Wir haben ja Wahlkampf“) zu sprechen, indem verkürzt die Union die Finanzierung der Zukunft durch Wachstum der Wirtschaft, die SPD diese durch zusätzliche Belastungen von Unternehmen finanzieren wolle. Scholz weist darauf hin, dass die Union in ihrem Wahlprogramm Steuersenkungen „für Leute wie ihn und Brinkhaus“ zusagt.

Scholz: „lch verdien‘ um die 200 Tausend Euro, um das mal zu sagen. Das finde ich nicht richtig.“

Es sei Herrn Scholz zugebilligt, dass sich dieser Satz nicht auf die Höhe seiner Bezüge, sondern wohl auf Steuerminderungen bezog.

Sodann ging es beim Thema Gerechtigkeit um die Teilabschaffung des Solidaritätszuschlages, wobei die altbekannten Auffassungen durch beide Politiker vertreten wurden Scholz: Nur für die, „die richtig viel Geld“ haben, bleibt der Solidaritätszuschlag. Die anderen werden entlastet. Brinkhaus: Solidaritätszuschlag ist verfassungswidrig.

Die Diskussion um den Solidaritätszuschlag ist eine Scheindiskussion:

Der Grund für die Einführung des Solidaritätszuschlages war der zusätzliche Finanzbedarf des Bundes im Nachgang der Wiedervereinigung. Von 1995 bis 2019 flossen € 245 Milliarden in den „Aufbau Ost“. Der wissenschaftliche Dienst des Bundestags veröffentlichte am 30. August 2019 ein Gutachten des Bundesrechnungshofes, das sich aus verfassungsrechtlichen Gründen dafür ausspricht, den Solidaritätszuschlag bis spätestens zum Ende des neuen Finanzplanungszeitraums im Jahr 2023 vollständig abzuschaffen. Bereits ab dem 31. Dezember 2019 sei die verfassungsrechtliche Legitimation fraglich. Dieses Gutachten wurde von Herrn Scholz lt. Herrn Brinkhaus wider besseres Wissen schlicht negiert.

Außerdem, so Herr Brinkhaus habe man versprochen, dass, wenn die Belastungen der Wiedervereinigung getragen worden seien, der Solidaritätszuschlag entfallen soll.

Brinkhaus: „Verlässlichkeit ist ein hohes Gut in der Politik, und versprochen ist versprochen!“

Zur Ehrlichkeit hätte ein Hinweis gehört, dass nicht nur 10% der Lohn- und Einkommensteuerzahler unverändert Solidaritätszuschlag ab 2021 zahlen (Scholz: „Und ich sage ausdrücklich: Richtig so, weil das zur Gerechtigkeit dazu gehört“), sondern dass Unternehmer, die ihr Unternehmen in der Rechtsform der Kapitalgesellschaft führen und alle, die Abgeltungssteuer selbst auf ihre „mickrigen“ Zinsen zahlen, unabhängig von den Einkünften unverändert mit Solidaritätszuschlag belastet werden.

Für denjenigen, der Steuern zahlt, ist es völlig unmaßgeblich, ob es sich um die Steuer selbst oder lediglich um eine Ergänzungsabgabe zur Steuer wie den Solidaritätszuschlag handelt. Die Grenzsteuerbelastung für Einzelpersonen liegt bereits bei einem zu versteuernden Einkommen von oberhalb von € 57.051 (≈ netto € 3.500,00 monatlich) bei 42%. Ab einem Einkommen von € 274.613 greift dann noch der sog. Reichensteuersatz von 45 %. Die Reichensteuer macht deshalb inkl. Solidaritätszuschlag 47,475% aus. Warum ist man nicht ehrlich und baut den Solidaritätszuschlag unmittelbar in den Steuertarif ein? Bei den Anforderungen, die durch Pandemie und Fluthilfe bestehen, wäre die Akzeptanz hier sicher dem Grunde nach sehr hoch, bevor über die die Substanz angreifende Vermögenssteuer gesprochen wird.

Aber: Völlig zu Recht weist Herr Brinkhaus darauf hin, dass deutsche Unternehmen im internationalen Wettbewerb stehen und Deutschland international als Hochsteuerland anzusehen ist.

Frau Röser betont, dass nach der Pandemie deutsche Unternehmen einen Re-Start benötigen, da vielfach das Eigenkapital verbraucht ist.

„Wir setzen uns übrigens auch dafür ein, dass unsere Mitarbeiter mehr netto vom brutto haben.“

Frau Webster, die Supermarktverkäuferin, „haut“ unwidersprochen gleichsam als Stichwortgeberin für Herrn Scholz „raus“: „Wir geben zu viel Geld aus, weil wir große Unternehmen subventionieren. Gesetze zeigen Lücken. Siehe Amazon! Allgemeinverbindlichkeitserklärungen für Tarifverträge müssen her.“

Darauf spult Scholz sein Wahlkampfprogramm ab, indem er auf die Notwendigkeit besserer Tarifverträge, auf die Richtigkeit von Allgemeinverbindlichkeitserklärungen und seinen besonderen erfolgreichen Einsatz zur Mindestbesteuerung internationaler Konzerne verweist.

Dann kommt die Stunde der Moderatoren: „Eine Umfrage der Bundeszentrale für politische Bildung ist bei uns krass hängengeblieben. Nur knapp die Hälfte der Beschäftigten sieht das eigene Bruttoeinkommen als gerecht an. Und das ist eigentlich traurig für ein Land wie Deutschland.“

Als Zuschauer wundert man sich über den Begriff Bruttoeinkommen und denkt im Hinblick auf die steigenden Benzinpreise, dass das eigene Bruttoeinkommen auch höher sein könnte.

Auf der Website der Bundeszentrale für politische Bildung heißt es konkret:

In den Jahren 2017 und 2019 empfand knapp die Hälfte der Beschäftigten in Deutschland das eigene Bruttoeinkommen – also das Einkommen, das sie ohne Abzüge von Steuern oder Sozialversicherungsbeiträgen bekommen – als gerecht. Dieser Anteil fällt deutlich niedriger aus, wenn das Nettoeinkommen – also das Einkommen nach Abzügen und Steuern – beurteilt wird. Hier lag der Anteil der Erwerbstätigen, die ihr Nettoeinkommen als gerecht empfinden, 2017 bei rund 44 % und im Jahr 2019 bei etwa 43 %. Damit empfand zwar fast jede / jeder Zweite in Deutschland die Höhe des eigenen Einkommens als gerecht; im Umkehrschluss bedeutet dies aber auch, dass die andere Hälfte der Erwerbstätigen Ungerechtigkeit in Bezug auf das eigene Einkommen wahrnimmt. Dabei gilt, dass der Abzug von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen den Anteil derjenigen, die ihr Einkommen als ungerecht empfinden, erhöht.

Zwei Fragen sind zu unterscheiden:

  • Bekomme ich nicht das, was mir zusteht (Thema Brutto!)?
  • Bleibt mir von dem, was ich erhalte, nach Steuern und Sozialabgaben zu wenig übrig (Thema netto!)?

Ob jemand sich gerecht bezahlt fühlt- auch als Unternehmer – ist sehr subjektiv und wurde dann auch zu Recht nicht thematisiert. In der Sendung ging es dann eher um die Frage, was vom Brutto bleibt (Moderator Brunn: „Mehr netto vom brutto wäre die Lösung.“)

Die Sicht aus verschiedenen Perspektiven wurde eingeläutet:

Frau Dreikorn: „Irgendwann können wir kleinen Leute nicht mehr. Der Haufen auf der einen Seite wird immer größer und bei uns immer kleiner. Der Teufel scheisst immer auf den dicksten Haufen“.

Herr Hilbert meinte: „Ich zahl gerne, wenn es transparent ist, wenn es nachvollziehbar ist und wenn es gerechtfertigt ist. Manchmal habe ich den Eindruck, dass die Politiker nicht daran denken, dass bei den Ausgaben es nicht selbst verdientes Geld ist.“

Frau Dreikorn bejahte „überraschenderweise“ die Fragen von Herrn Brunn, ob das deutsche Steuersystem ungerecht sei und die Reichen zu wenig zahlen. Genauso hätte Herr Brunn dem Verfasser dieser Zeilen die Frage stellen können, ob er für Freibier sei. Herr Brunn stellte dann noch die Frage, ob Frau Dreikorn bestätigen könne, dass der Unterschied zwischen arm und reich immer größer werde. Die ungemeine Spannung auf die Antwort wurde durch Frau Dreikorn mit einem „Ja“ aufgelöst.

Der pferdeaffine Herr Hilbert betonte, als Mitarbeiter der Firma Deutschland sehe er sich als bestes Pferd im Stall und arbeite und arbeite. Es bestehe die Gefahr der Demotivation. Seine vehemente Selbstdarstellung war ihm offensichtlich dann doch nicht geheuer, so dass er Supermarktkassiererin und Kosmetikerin auch als beste Pferde im Stall sah und nach der Methode „Ich habe Euch alle lieb“ meinte, er sei eigentlich in einem Argumentationskonflikt, da er am liebsten auf beiden Seiten sitzen wolle.

Herr Scholz wurde gefragt, ob es fair sei, wenn die Reichen mehr zu Kasse gebeten werden, was dieser zunächst kurz und knackig mit „Ja“ beantwortete und dieses mit der allgemeinen Schuldenlage begründete. Letzteres brachte die Moderatoren völlig aus dem Rhythmus, weil sie nicht zwischen bestehenden Schulden, Nettokreditaufnahme und Schuldenbremse unterscheiden konnten. Herr Scholz bekannte sich zur Schuldenbremse in Deutschland, wobei Herr Brinkhaus süffisant anmerkte, dass Herr Scholz die Schulden durch Vergemeinschaftung in Europa mache wolle.

Zu Frau Dreikorn gewandt meinte er, dass das Problem bei ihr wahrscheinlich nicht in zu hohen Steuerzahlungen, sondern in der Belastung durch Sozialbabgaben liege.

Dann wurde es wieder spannend, als die Frage gestellt wurde, wie die Schulden zurückbezahlt werden sollten? Herr Brinkhaus vertrat das CDU-Programm (Allgemeines Wachstum = gute Arbeitsplätze = mehr Steuern = mehr Sozialabgaben). Hayali. „Aber nennen Sie doch mal konkrete Wachstumszahlen! Sie müssen das doch durchgerechnet haben.“ Weder Herr Scholz noch Herr Brinkhaus wussten hierauf eine Antwort. Scholz meinte nur, mit Wachstum allein sei das nicht zu schaffen („Vodoo-Argumentation“). Im Übrigen wolle er bei seiner Einkommensteuerpoltik keine Mehreinnahmen erzielen, sondern lediglich umverteilen.

Die Frage, was denn nun bei denjenigen die mehr haben sollten, monatlich übrig bleiben würde, beantwortete Herr Scholz: „Es sind geringe Beträge, die dann anfallen. Alles zusammen sind es dann Milliarden“

Hier bohrte Frau Hayali nach: „Sind es 50,60 € im Monat?“ Brinkhaus: „Das würde mich auch interessieren.“ Aus dieser für ihn unangenehmen Lage wich Herr Scholz aus und betonte gleichzeitig die Bedeutung des Wachstums für erforderliche Lohnerhöhungen, für Investitionen und Schuldentilgung.

Frau Dreikorn wirkte frustriert und bildete den Kernsatz: „Ich höre immer nur: wir wollen; dann tuns Sie‘s doch endlich“.

Über den Einspieler der Superreichen dieser Welt und der angeblichen Zunahme der Milliardäre in Deutschland von 107 auf 136 kam die Runde auf das Gerechtigkeitsthema Vermögenssteuer.

Eingeführt wurde die „klassische“ Unternehmerin Stefanie Bremer, die sich „definitiv“ als vermögend bezeichnet: „Ja ich bin unglücklich mit der derzeitigen Steuergesetzgebung, weil sie es dem Vermögenden sehr leicht macht, noch mehr Vermögen anzuhäufen, es hingegen nicht vermögenden Menschen deutlich schwieriger macht, selbst Vermögen aufzubauen.“

Frau Bremer bekennt sich weiter zu einer Vermögenssteuer, die nicht von den Vermögenden sondern von der Gemeinschaft entwickelt werden sollte.

Ob diese Auffassung auch von denjenigen geteilt wird, die die positive finanzielle Lage von Frau Bremer geschaffen haben, wurde in der Sendung nicht bekannt. Bezweifeln mag man jedoch, dass Frau Bremer eine repräsentative Auffassung hat.

Wie wohltuend und praxisnah war dann die Äußerung des Brauereiunternehmers Härle, er wolle zwar nicht unbedingt weniger (Ertrags-)Steuern zahlen, wenn nur das Steuersystem transparent und einfach sei. Die Vermögenssteuer aber sei ein Bürokratiemonster. Er habe früher an seiner Vermögenssteuererklärung tagelang gesessen. Eine Substanzsteuer sei falsch.

Neben Herrn Härle war Herr Brinkhaus offensichtlich der einzige, der schon eine Vermögenssteuer für sich oder andere ausgefüllt hatte. Sein berechtigter Hinweis auf die Schwierigkeiten bei Anfertigung der nicht einmal jährlich anfallende Erbschaftsteuer, wurden von Herrn Scholz beiseitegeschoben, für den Verfasser dieser Zeilen wieder ein Beweis, dass zumindest Herr Scholz keine Rücksicht nimmt auf die Praktikabilität der Durchführung von Steuern.

Scholz: „Die Vermögenssteuer ist uns abhandengekommen. In der Schweiz, in USA, in Großbritannien gibt es eine höhere Vermögensbesteuerung als in Deutschland. Warum sollte es diese nicht bei uns geben?“

Herr Brinkhaus versuchte hier nicht mit Schlagworten, sondern sachlich zu antworten (Verweis auf Unterschied zwischen Vermögenssteuer und Vermögensbesteuerung z.B. mit höherer Belastung durch Grundsteuer in Deutschland/ Internationaler Trend zur Abschaffung der Vermögenssteuer). Zugleich wies er auf die Komplexität der Erfassung der Vermögenssteuer („Der Senf ist teurer als das Würstchen!“) und die Wechselwirkung zwischen einer Substanzsteuer der durch die Pandemie gebeutelten auf Erholung gerichteten Unternehmen hin.

Scholz: „Das wirkliche Argument ist nicht, dass die Vermögenssteuer so schwer ist, sondern die wollen die nicht zahlen!“

Herrn Scholz sei an dieser Stelle empfohlen, die vergleichbaren deutschen Erbschaftssteuerrichtlinien mit den Schweizer „Wegleitungen“ zur Erbschaftssteuer und damit auch zur Vermögenssteuer zu vergleichen.

Frau Bremer äußerte den nebulösen Satz, das Geld müsse wieder in den demokratischen Prozess gehen und dürfe nicht etwa durch Spenden allein dem Bürger überlassen bleiben.

Zurückgelassen wurde eine ratlose Frau Dreikorn, die die Frage, wen sie denn am 26.09. wählen sollte, noch keine Antwort wusste.

Der Abend wurde beschlossen mit den zu Herzen gehenden Worten von Herrn Hilbert: „Ich würde mir wünschen, dass aus meiner gefühlten Deutschland-Titanic ich wieder ein Stück Deutschland-Traumschiff bekomme.“

Die Frage, ob Deutschland gerecht ist, konnte der Verfasser als bekennender BvB-Anhänger genau so wenig beantworten wie die Frage, ob es gerecht ist, dass Bayern München immer wieder Deutscher Meister wird. Vielleicht hängt dieses mit dem Begriff der Gerechtigkeit zusammen.