Steuern im Wahlkampf

Steuern im Wahlkampf oder der nette Herr Scholz, „und die, die sehr, sehr viel Geld verdienen“

Neben dem Höhepunkt jeder Wahlkampfauseinandersetzung, der Bewältigung der Klimakrise, spielt das Steuerrecht bei allen Parteien eine ganz besondere Rolle. Die einen (CDU/CSU/FDP) wollen den Solidaritätszuschlag nicht nur wie bisher für 90% der Zahler, sondern für alle abschaffen und, je nach Kassenlage, Steuern senken oder zumindest nicht erhöhen. Die anderen (SPD und Die Grünen) möchten die Einkommensteuern für diejenigen, die „wie ich sehr, sehr viel Geld verdienen“ (Baustein von Herrn Scholz für jede Talkshow, Interview, Wahlkampfrede) erhöhen, um diejenigen zu entlasten, die deutlich weniger verdienen („diejenigen, die die Karre am Laufen halten“ oder auch „die hart arbeitenden Menschen“) mit dem Ziel, den Unterschied zwischen arm und reich zu verringern. Zusätzlich soll die jährlich wiederkehrende Vermögenssteuer reaktiviert werden, damit die „starken Schultern“ auch mehr zu dem erhöhten zukünftigen Finanzbedarf des Staates für z.B. Klimaschutz, aber auch zur Schuldentilgung beitragen. Die Partei Die Linke toppt ihre steuerlichen Vorstellungen sogar um eine einmalige Vermögensabgabe zur Bewältigung der Corona-Folgen, wobei die Begriffe Vermögensabgabe und Vermögenssteuer durchaus auch in Diskussionen verwechselt werden.

Als jemand, der viele Dinge in den Wahlprogrammen nur beschränkt oder gar nicht beurteilen kann, der aber sein Leben lang sich mit dem Steuerrecht und denjenigen beschäftigt hat, die die Steuern zahlen, können sich diejenigen, die sich für eine Erhöhung der Einkommensteuer und der Erhebung der Vermögenssteuer einsetzen, kaum in ihrem Leben mit der praktischen Steuererhebung und mit den Folgen von Steuererhöhungen für Unternehmen auseinandergesetzt haben. Dieses ist noch die positive Aussage, während die negative Aussage ein bewusstes Verhalten gegen die eigene Erkenntnis ist nur mit dem Ziel, Wahlen zu gewinnen. Wenn die steuerlichen Darstellungen auf die übrigen Darstellungen in den Wahlprogrammen analog verwandt werden können, dann „gute Nacht Marie“ (Kevin Kühnert 29.08. bei Anne Will zum CDU/CSU Wahlprogramm in einem anderen Zusammenhang).

Vor einer Beschäftigung mit einzelnen Steuerarten, sollte folgendes allgemein festgehalten werden:

Der Staat (Bund, Länder, Gemeinden) benötigt Geld für die Bewältigung seiner Aufgaben, das er vorrangig in Form von Steuern erzielt. Dieses wird von keiner Seite bestritten. Je höher das Verständnis für die entsprechenden Finanzierungsaufgaben des Staates ist, umso höher ist auch das Verständnis, dass jeder nach seinen Möglichkeiten hierzu einen Beitrag zu leisten hat. Das Verständnis für Steuerschlupf- oder Vermeidungsmodelle, bei denen ausschließliches Ziel die Steuerminderung oder Steuervermeidung ist, wird beim Bürger, und zum Bürger gehört auch der Unternehmer, nach meiner praktischen Erfahrung als klar gemeinschädlich und Drücken vor der Verantwortung angesehen und abgelehnt. Das bekannte cum/ex-Modell ist aber nicht nur ein Versagen derjenigen, die dieses Modell genutzt haben, sondern auch ein Versagen derjenigen, die schlampige Gesetze gemacht haben, unter denen das Modell dann gedeihen konnte. Die Komplexität unserer Steuergesetze ist ein großes Ärgernis und führt zu dem Gefühl, dass – positiv gesagt - die einen auch nur die gesetzlichen Steuern zahlen, weil sie intellektuell oder auch mit kostenträchtiger interner oder externer Unterstützung die Steuergesetze verstehen, während die anderen diese Möglichkeiten nicht haben und das Gefühl haben, mehr als die gesetzlich vorgesehenen Steuern zu zahlen. Die angestrebte und nie erreichbare Perfektion des Steuerrechts führt dazu, dass der selbstverständliche Effekt der Verständlichkeit eines Gesetz insbesondere bei Eingriffen des Staates in die Privatsphäre nicht erreicht wird. Ein weniger kompliziertes Steuerrecht würde das Verständnis für die Steuer nicht verringern, die häufig beklagte Staatsverdrossenheit vermindern und nach meiner festen Überzeugung nicht zu einer geringeren Steuerbelastung führen. Ein erhebliches Versagen der Regierungsparteien der letzten 20 Jahre ist darin zu sehen, dass nie die Kraft aufgebracht wurde, eine Steuerreform in die Wege zu leiten, die diesen Namen auch mit Recht verdient und dem Steuerzahler auch den Respekt des Staates entgegenbringt, der derzeitig so vehement von der SPD vertreten wird.

Zu einer positiven Einstellung zur Zahlung von Steuern gehört aber auch, dass mit den erhaltenen Steuern ebenso „respektvoll“ umgegangen wird. Respektvoller Umgang bedeutet die ständige Gewissheit, dass der Staat lediglich Treuhänder des Bürgers ist und dieses bei den Ausgaben zu beachten hat. Gerade die Wahlprogramme der Grünen, der SPD und der Linken, verstärken den Eindruck von einem Staat, der allgegenwärtig ist und dem Bürger die Sorge abnimmt, wie er das „hart erarbeitete“ Geld zu verwenden hat. Dieses gilt insbesondere auch für den Sozialhaushalt. Im Bund betragen die Ausgaben für soziale Sicherung rund 50 % des Gesamthaushalts. Die Kreativität des Staates bei den Ausgaben ist unbegrenzt. Ein Beschleunigungselement ist hierbei der Begriff der Gerechtigkeit, wobei jeder hierunter das versteht, was er gerade verstehen will. Alles aber, was der Staat ausgibt, muss zunächst erarbeitet werden.

Ein wichtiger Begriff ist in diesem Zusammenhang ist der Begriff der Wertschöpfung. Das Bruttosozialprodukt setzt sich aus produzierten Gütern und Dienstleistungen zusammen. Im Mittelpunkt stehen die produzierten Güter, da sie mit einer Wertschöpfung verbunden sind. Ohne produzierte Güter kann es - zumindest heute noch- letztlich keine Dienstleistung geben, da immer jemand da sein muss, der die Dienstleistungen in Anspruch nimmt und auch bezahlen kann. Dass wir hier gerade einen revolutionären, ja disruptiven Umbruch durch die Digitalisierung erfahren, sei an dieser Stelle ausdrücklich erwähnt. Als Steuerberater etwa leisten wir volkswirtschaftlich eine höchst unproduktive und sogar vielleicht überflüssige Tätigkeit, wenn die Tätigkeit nicht von unseren Mandanten verlangt würde. Eine Fa. Tönnies als Schlachterei beschafft letztlich im Rahmen einer Lieferkette Lebensmittel, die zum Verzehr geeignet sind. Aber selbst ein Kunststoffbetrieb, der aus Granulat einen eigentlich überflüssigen Hula-Hoop-Reifen herstellt, betreibt eine Wertschöpfung, die vermarktet werden kann und zu einer Realisierung in Geld führt, mit denen die Stakeholder (Eigentümer, Mitarbeiter, Lieferanten) bezahlt werden können. Für das Steuerrecht bedeutet dieses, dass gerade bei Unternehmen nicht willkürlich zur Erzielung höherer Steuereinnahmen mit der Steuerkeule zugeschlagen werden darf. Es sind gerade Unternehmen, die das Einkommen ihrer Stakeholder sichern.

Bei Betrachtung der einzelnen Steuerarten durch die Parteien ist folgendes zu berücksichtigen:

Der Solidaritätszuschlag ist zunächst als Ergänzungsabgabe zur Einkommensteuer von dieser zu trennen:

Der Solidaritätszuschlag wurde ursprünglich für die Jahre 1991 und 1992 erhoben, um die Kosten des 2. Golfkrieges zu finanzieren. Nach Unterbrechungen ohne Solidaritätszuschlag wurde dieser dann erneut ab 1995 zur Finanzierung der Kosten der deutschen Einheit ( sog. Solidarpakt II/wirksam bis 2019) eingeführt. Der Präsident des Bundesrechnungshofes hat 2019 in seiner Eigenschaft als Bundesbeauftragter für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung („BWV“) ein Gutachten über den Abbau des Solidaritätszuschlags veröffentlicht (www.bundesrechnungshof.de). In der Zusammenfassung heißt es:

„Aus Sicht des BWV bestehen verfassungsrechtliche Risiken bei einer Fortgeltung des Solidaritätszuschlags. Der Grund für die Einführung des Solidaritätszuschlags als Ergänzungsabgabe fällt mit dem Auslaufen des Solidarpaktes II zum Ende des Jahres 2019 weg. Die Finanzierung der Deutschen Einheit über den bundesstaatlichen Finanzausgleich ist abgeschlossen. Insofern liegt dem ab dem Jahr 2020 geltenden neuen Finanzausgleich eine finanzverfassungsrechtliche Normallage zugrunde. Neue spezifische Finanzierungsbedarfe sind. Die Haushaltslage erscheint aktuell stabil. Daher ist eine Sachlage, die eine Umwidmung des Solidaritätszuschlags in eine neue Ergänzungsabgabe rechtfertigen würde, nicht gegeben.“

Ohne aber über die Verfassungsmäßigkeit des Solidaritätszuschlages ein Urteil bilden zu wollen, führt die Zusage des Staates, durch den Solidaritätszuschlag im Rahmen des 2019 ausgelaufenen Solidarpaktes II lediglich die Kosten der deutschen Einheit zu finanzieren, zu einem massiven Glaubwürdigkeitsproblem, wenn nunmehr etwa die Mittel nach Auffassung der der SPD oder der Grünen für andere Investitionen oder zur Finanzierung der Corona-Krise eingesetzt werden sollen. Auch hier gilt dann der Grundsatz:

„Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht.“

Ehrlicher wäre es, die Erhebung des Solidaritätszuschlages zu beenden und diesen in den Einkommensteuertarif zu integrieren. Dieses soll aber wohl vermieden werden, weil dadurch ersichtlich wird, dass die Beibehaltung des Solidaritätszuschlages nichts anderes als eine verkappte Steuererhöhung ist. Das ist nichts anderes als Bauernfängerei.

Somit stellt sich die Frage nach der Zweckmäßigkeit der Erhöhung der Einkommensteuer. Die Auffassung der CDU/CSU und die FDP, dass die Corona-Schulden und der erhöhte Investitionsbedarf insb. in Zusammenhang mit der Klimakrise bei vorhandener Schuldenbremse allein durch das Wachstum der Wirtschaft und den daraus resultierenden erhöhten Steuermitteln bezahlt werden kann, erscheint mir nicht unbedingt zwingend zu sein. Es ist zunächst logischer, sich Gedanken über das Ausgabeverhalten zu machen. Wenn wir verfolgen, wie gerade in Zusammenhang mit der Corona-Krise sowohl für Deutschland aber auch für Europa mit Milliarden herumgeworfen wurde, kann einem Angst und Bange werden und das Gefühl vermitteln, hier wurde unter dem Titel Corona so einiges „verbraten“, das ansonsten nicht so geräuschfrei hätte umgesetzt werden können. Grundsätzlich ist eine Erhöhung der Einkommensteuer vertretbar, wenn der Staat nach kritischer Würdigung des Ausgabeverhaltens einen Finanzbedarf hat. Dieser Weg ist eher zu bevorzugen, als etwa das verfassungsrechtliche Prinzip der Schuldenbremse aufzugeben. Dabei gilt es aber die toxischen Nebenwirkungen zu beachten. Sowohl ein Selbständiger (=Unternehmer) wie auch ein abhängig Beschäftigter zahlen Einkommensteuer auf ihre Einkünfte. Allerdings gibt es einen sehr wesentlichen Unterschied: Abhängig Beschäftigte, zu denen statistisch auch Beamte und Bundesminister gehören, erhalten regelmäßig monatlich ihr Gehalt und können darüber verfügen. Ein selbständig Tätiger hat – hoffentlich - einen Gewinn, der monatlich noch gar nicht feststehen kann, der nicht liquiditätsmäßig zur Verfügung steht. Als Unternehmer kann nur die freie Liquidität entnommen werden. Bevor eine freie Liquidität entsteht, ist der Unternehmer gezwungen zu investieren und zwar sowohl in sein langfristiges Anlagevermögen wie auch in sein laufendes Umlaufvermögen (z.B. Erhöhung der Vorräte) (genauer working capital). Gleichzeitig trägt er auch im Gegensatz zum Gehaltsempfänger ein laufendes Verlustrisiko. Ein Gewinn in einem Jahr von € 1,0 Mio. (Scholz: „Jemand, der sehr viel Geld verdient“), kann im nächsten Jahr einen Verlust von € 1,0 Mio. bedeuten, so dass die Einkünfte über 2 Jahre € 0 sind. Die Möglichkeit steuerliche Verlustrückträge vorzunehmen, sind, wie unter Corona zu sehen ist, sehr begrenzt. Wie ein Gehaltsempfänger muss auch der Selbständige Einkommensteuer bezahlen nur mit dem Unterschied, dass jede Erhöhung der Einkommensteuer ihm fehlt, um Investitionen zur Stärkung und Erweiterung des Unternehmens zu tätigen und auch konkret zusätzliche Arbeitsplätze zu schaffen oder zu erhalten. Die Erhöhung der Einkommensteuer schwächt damit die Unternehmen. Dieses gilt gerade für die Corona-Zeiten, in denen mit erheblicher Unterstützung (z.B. durch Kurzarbeitergeld) Arbeitsplätze gerade erhalten wurden.

Weiter ist zu beachten, dass ein Unternehmen in Wettbewerb zu anderen Unternehmen häufig nicht nur im Inland, sondern auch im Ausland steht. Deutschland ist bereits für Unternehmen ein Hochsteuerland. An dieser Stelle soll nicht auf die unterschiedliche Besteuerung zwischen Kapitalgesellschaften (Zahlung von Körperschaftssteuer) und Einzelunternehmern und Personengesellschaften (Zahlung von Einkommensteuer) eingegangen werden. In Deutschland gab es 2019 2,2 Mio. Einzelunternehmer und 0,4 Mio. Personengesellschaften sowie 0,8 Mio. Kapitalgesellschaften ( Statista 26.03.2021). Der Löwenanteil der Unternehmen unterliegt somit der Einkommensteuer. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass ein Unternehmer wegen der Steuerbelastung Deutschland verlässt: sehr wahrscheinlich ist aber, dass zusätzliche Investitionen nicht in Deutschland, sondern in Ländern mit einer niedrigeren Steuerbelastung getätigt werden und damit auch Arbeitsplätze gerade nicht in Deutschland geschaffen werden. Wer in diesem Zusammenhang die höhere Steuerbelastung mit der besseren Infrastruktur in Deutschland begründet, übersieht, wie auf diesem Gebiet Deutschland in den letzten 15 Jahren zurückgefallen ist.

Der Anteil der Selbständigen liegt in Deutschland von allen Erwerbstätigen bei etwa 10%, davon sind ca. 5% sog. Solo-Selbständige (Selbständige ohne Mitarbeiter). 90% der Erwerbstätigen bekommen also Monat für Monat ihr Gehalt und können den Gewinnbegriff aus selbständiger Tätigkeit nur schwer verstehen. Von denjenigen, die verantwortlich das Land Deutschland führen wollen, muss dieses Verständnis erwartet werden. Insbesondere die Schwächung der Unternehmen über eine höhere Einkommensteuer zu Gunsten der Entlastung von denjenigen, die weniger verdienen, ist nichts anderes als Populismus und Bauernfängerei.

Zum Programm der Grünen, der SPD und der Linken gehört auch die Reaktivierung der Vermögenssteuer. Die SPD möchte eine Vermögenssteuer auf sehr hohe Vermögen einführen, ohne dieses näher zu spezifizieren, während die Grünen Vermögen über € 2 Mio. mit einem Prozent versteuern wollen, wobei für Betriebe „Begünstigungen in gebotenem Umfang“ eingeräumt werden sollen. Die Linken wollen das (Netto-)Vermögen oberhalb von € 1 Mio. mit 1% besteuern, wobei bis zu einem Nettovermögen von € 50 Mio. der Steuersatz auf 5 % ansteigt. Für Betriebsvermögen gelten Freibeträge von mindestens € 5 Mio. CDU/CSU und FDP lehnen die Vermögenssteuer ab.

Die Vermögenssteuer gibt es in der Bundesrepublik Deutschland seit 1952. Sie wurde durch einen Beschluss des Bundesverfassungsgericht in 1995 für nicht mit dem Gleichheitsgrundsatz vereinbar erklärt, weil das Immobilienvermögen nicht gegenüber anderem Vermögen besser behandelt werden dürfe. Gleichzeitig wurde die weitere Anwendung bis zum 31. Dezember 1996 erlaubt. Ab 1997 wurde dann die Vermögenssteuer nicht mehr erhoben. Der Vermögenssteuersatz betrug zuletzt oberhalb eines Freibetrags von 120.000 DM pro Familienmitglied für natürliche Personen jährlich 1 % des steuerpflichtigen Vermögens und für Körperschaften jährlich 0,6 %.

Ein geplanter Freibetrag von € 2,0 Mio. nach dem Vorschlag der Grünen mag zunächst hoch erscheinen. Er trifft tatsächlich diejenigen, die „vermögender“ sind. Dabei ist aber zu beachten, dass, wie bereits dargestellt, das Vermögen der sog. Hochvermögenden in Betriebsvermögen gebunden ist („Die Rolle der Betriebsvermögen in der Vermögensverteilung“ Institut der Deutschen Wirtschaft Köln eV für Stiftung Familienunternehmen):

diagramm1

Als Substanzsteuer wird das Betriebsvermögen unabhängig von der Ertragslage jedes Jahr belastet. In einer Studie des ifo-Institutes für die Stiftung Familienunternehmen (Zur Debatte über die Einführung einer Nettovermögenssteuer in Deutschland“) wird die zusätzliche Steuerbelastung bei unterschiedlichen Renditen bei einer Basissteuer von 30% wie folgt dargestellt:

diagramm2

Bei einer Rendite vor Steuern von 3% erhöht sich die Steuerbelastung mit Vermögenssteuer von 30% auf 65%.

Wer als Unternehmer Vermögenssteuer zahlt, kann sicher weniger für private Zwecke entnehmen, aber auch weniger für die Zukunft des Unternehmens tun. Die Parteien, die eine Vermögenssteuer fordern, sehen ganz offensichtlich nur den Bereich der Entnahmen begleitet mit Bildern von Sektempfängen, Yachten, privaten Flugzeugen und teurem Schmuck. Jedem sei empfohlen, sich die Bebilderung zum Thema Vermögenssteuer anzusehen. Neid und Populismus beherrschen das entsprechende Wahlkampffeld.

Ein weiterer Problembereich ergibt sich aus der Frage, welches Vermögen zu erfassen ist. Hierbei ist über das Vermögen zur Sicherung des Alters zu diskutieren. Die Mehrzahl der Bevölkerung versucht das Alter über die gesetzliche Rentenversicherung, Lebensversicherungen, Beamtenpensionen oder betriebliche Altersversorgungsmodelle abzusichern. Früher wurden davon nur Kapitallebensversicherungen bei der Vermögenssteuer erfasst. Ein Unternehmer kann seine Altersversorgung durch das Unternehmen selbst (z.B. durch Verkauf), durch Lebensversicherungen, durch Wertpapiere, durch (Spar-)guthaben oder durch Immobilien sicherstellen, alles also Bereiche, die vormals der Vermögenssteuer unterlegen haben und auch wohl in Zukunft unterliegen. Eine Betriebspension (auch die eines Vorstandes eines Dax-Unternehmens), eine Pension eines Ministers oder Bundestagsabgeordneten hat einen Wert, der z.B. bei der Berechnung von Pensionsrückstellungen berücksichtigt wird. Dieser Wert ist der Wert, der unter Berücksichtigung der Lebenserwartung des Betroffenen, einer entsprechenden Verzinsung und dem Verbrauch der Rückstellung, errechnet wird. Wenn dieser Wert anlog als Barliquidität vorgehalten wird, entspricht dieses systematisch der Pensionsrückstellung, unterliegt aber der Vermögenssteuer. Der Wert der Pensionsverpflichtungen der DAX 30-Unternehmen ist im Jahr 2020 von etwa 389,9 Mrd. Euro auf etwa 410 Mrd. Euro gestiegen (Mercer 04.02.2021). Diese Ansprüche unterliegen nicht der Vermögenssteuer. Allein die Pensionsverpflichtungen von VW gegenüber Ex-Chef Martin Winterkorn sollen rund € 29 Mio. betragen (Tagesspiegel 26.03.2019). Um bewusst populistisch sich auszudrücken: Wer € 29 Mio. unter Konsumverzicht anspart, zahlt jährlich € 290.000,00 Vermögenssteuer; wer € 29 Mio. als Pensionsanspruch hat, zahlt darauf keine Vermögenssteuer. Ist das gerecht?

Keineswegs dürfen die Kosten der jährlichen Ermittlung der Werte für die Immobilien und das Betriebsvermögen (sog. Erhebungsaufwand) vernachlässigt werden. Wie komplex dieses ist, wird deutlich, wenn die entsprechende Bewertung aus 1995 insb. nach den damaligen Vermögenssteuerrichtlinien 1993 betrachtet wird. Im Rahmen der Bewertung des Betriebsvermögens war der aus der Bilanz abgeleitete Substanzwert („ertragssteuerlicher Wert“) maßgebend. Dabei wurden als Ausnahme die Grundstücke mit 140 % der bestehenden Einheitswerte, die sonstigen Sachanlagen mit den Buchwerten und die Anteile an GmbHs nach dem Stuttgarter Verfahren angesetzt. Das Stuttgarter Verfahren war wiederum ein sehr einfaches Verfahren: Zunächst wurde das Betriebsvermögen der Körperschaft wie oben ermittelt und in Relation zum Nennkapital gesetzt. Daraus ergab sich dann der Vermögenshundertsatz. Der Ertragswert wurde aus den Betriebsergebnissen (=steuerliches Einkommen) der letzten drei Jahre hergeleitet. Es wurde das Durchschnittsergebnis ermittelt und dieses um 15% gekürzt und dann in Relation zum Nennkapital gebracht. Das Ergebnis war dann der sog. Ertragshundertsatz. Der Gemeine Wert wurde dann nach folgender Formel ermittelt: gemeiner Wert = 66% von (Vermögenshundertsatz zzgl. 5facher Ertragshundertsatz). Die Ermittlung war einfach und unkompliziert, führte aber in der Regel zu im Vergleich zu Verkehrswerten niedrigeren Werten. Heute besteht das Anliegen darin, die „richtigen“ Verkehrswerte zu ermitteln. Hier zeigt sich die besondere Komplexität der Bewertung, wenn die Bewertungsverfahren zur Ermittlung der Erbschaftssteuerwerte zugrunde gelegt werden.

Bei den Immobilien ist ein entsprechendes System zu integrieren. Wie kompliziert dieses ist kann aus dem Gesetz zur Reform des Grundsteuer-und Bewertungsrechtes vom 26.11.2019 entnommen werden.

Der Wert von Immobilien hat sich lt. Statista (Statista Research Department 04.03.2020) von 1990 bis 2019 wie folgt entwickelt:

BestandVeränderung 1990-2019
insgesamt in %
Veränderung 1990-2019
p.a. in %
Eigentumswohnungen 130,6 2,9
Reihenhäuser 112,7 2,6
Eigenheimgrundstücke 137,2 3,0
Gewerbegrundstücke 68,0 1,8

Diese Entwicklung wird in bestimmten Gebieten noch extremer sein, bedeutet aber doch, dass eine jährliche Ermittlung der Immobilien erforderlich ist.

Der Erhebungsaufwand schwankt von unter 5% bis über 30% des Steueraufkommens (ifo-Institut a.a.O). Wer die Hoffnung hat, dass die beabsichtigte Umverteilung des Vermögens von oben nach unten gelingt, wird sich täuschen. In vielen Talk-Shows verweist Herr Scholz auf die Vermögenssteuer in anderen Ländern, nach dem System: Was dort möglich ist, muss auch in Deutschland möglich sein. Natürlich kann eine Bewertung zur Erzielung von Vermögenssteuer vorgenommen werden. Es kommt aber letztlich auf den Effekt an. Vor diesem Hintergrund ist die Gesamtbelastung zu sehen, wobei auch andere Vermögensbelastungen wie die Grundsteuer einzubeziehen und auch die unterschiedlichen Bemessungsgrundlagen zu beachten sind.

Kein Armer wird durch die Erhebung von Vermögenssteuer bei den Reichen reicher.

Neben der Vermögenssteuer fordern die Linken zur Bezahlung der Lasten aus der Corona-Pandemie zusätzlich noch eine einmalige Vermögensabgabe, die im Gegensatz zur Vermögenssteuer dem Bund zusteht. Es wird von einem Eingangsabgabesatz von 10 Prozent und einen steigenden Abgabesatz bei steigendem Vermögen ausgegangen. Die Vermögensabgabe soll bei den ein Prozent vermögendsten Privatpersonen erhoben werden. Laut aktuellen Zahlen des „Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung“ (DIW) gehören dazu rund 400 000 Haushalte mit einem Vermögen von mindestens € 2,5 Mio. Es soll an dieser Stelle nicht weiter auf diesen Bereich, der aus der Neiddebatte stammt, eingegangen werden, weil auch wegen massiver verfassungsrechtlicher Bedenken die Realisierungschance nach der Wahl gegen Null tendiert.

Abschließend ist zu sagen, dass das Steuerrecht in Deutschland viel zu kompliziert ist, als dass mit Hinweis auf Steueränderungen mit hohlen Phrasen und Weckung niedriger Instinkte Wahlen gewonnen werden sollten. Dieses sollte auch für den „netten Herrn Scholz und seinen Stichwortgebern im Hintergrund“ gelten.