Wer traut sich?

Erbschaftssteuer als Konfliktlöser in den Koalitionsverhandlungen 2021

In den Koalitionsverhandlungen spielen Steuern eine wesentliche Rolle. Dabei sind die Vorstellungen der Beteiligten sehr unterschiedlich: Während SPD und CDU/CSU gegen jegliche Steuererhöhungen sind, möchten SPD und Bündnis 90/Die Grünen die Spitzensteuern bei der Einkommensteuer erhöhen und eine Vermögenssteuer einführen. Bei der Erbschaftssteuer schielt die SPD hier insbesondere auf die vermögenden Unternehmenserben, die sie für bevorzugt ansieht. „Mit einer effektiven Mindestbesteuerung werden wir die Überprivilegierung großer Betriebsvermögen abschaffe.“, so heißt es ohne weitere Vorschläge im Wahlprogramm.

Im Grünen-Wahlprogramm wird die Erbschaftsteuer nicht genannt. Allerdings heißt es: “Zum einen werden wir Menschen und Familien mit kleinen und mittleren Einkommen entlasten und zum anderen sehr wohlhabende und reiche Menschen sowie große Konzerne stärker an der Finanzierung des Gemeinwesens beteiligen.“ Sehr wohlhabende Menschen und reiche Menschen sollen speziell über die Vermögenssteuer belastet werden; indirekt kann aber auch die Erbschaftssteuer gemeint sein.

Zur Erbschaftssteuer meint das Wahlprogramm der FDP: “Die Erbschaftsteuer sollte im Hinblick auf ihre Administrierbarkeit und das sich in diesem Zusammenhang zu ihrer Erhebung ergebende Verhältnis von Kosten und Nutzen überprüft werden.“

Koalitionsverhandlungen haben die Eigenart, dass keine Partei ihre Maximalforderungen durchsetzen kann. Wieweit Kompromisse geschlossen werden, hängt von der Verhandlungsstärke der einzelnen Parteien ab. Die Frage stellt sich aber, ob nicht eine Reformierung der Erbschaftssteuer in Zusammenhang mit der Suche nach Kompromissen geeignet ist.

An dieser Stelle soll nicht über die Sinnhaftigkeit der Erbschaftssteuer diskutiert werden. Soweit erkennbar fordert aber auch niemand derzeitig die Abschaffung der Erbschaftssteuer. Die wenig sinnvolle verwaltungsintensive jährliche Vermögenssteuer wird ganz sicher deshalb nicht „durchkommen“, weil damit eine rote Linie der FDP überschritten wird.

Kann der Verzicht auf die Vermögenssteuer nicht den Parteien, die diese ausdrücklich wollen, durch eine standardisierte Erbschaftssteuer erleichtert werden?

Es ist Zeit, die Erbschaftssteuer im Sinne eines Flat-Tax-Modells zu reformieren.

Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom 17.12.2014 musste die Erbschaftssteuer bis zum 30.06.2016 angepasst werden. Nur sehr mühsam wurde ein verfassungsgemäßes (?) Erbschaftssteuerrecht mit der Zustimmung des Bundesrates am 14. Oktober 2016 mit Rückwirkung zum 01.07.2016 in Kraft gesetzt. Entstanden ist ein steuerliches Monstrum, das in seiner Komplexität kaum zu überbieten ist. Zu einer wirklichen Erbschaftssteuerreform fehlte der Regierung der Wille und auch der Mut. Der administrative Aufwand ist beim Betriebsvermögen so beträchtlich, dass er nicht nur für die betroffenen Unternehmen sondern auch für die begleitenden Steuerberater zu einer Last geführt hat, die darüber hinaus auch mit einem nicht unerheblichen Betriebsprüfungsrisiko verbunden ist.

In Zusammenhang mit den Diskussionen um ein verfassungsgerechtes Erbschaftssteuerrecht ist, tauchte das Flat-Tax-Modell auf:

Das Flat-Tax-Modell geht davon aus, dass das Erbschaftssteuerrecht mit seinen zahlreichen Ausnahmeregelungen in der Weise vereinfacht wird, dass diese Ausnahmen gestrichen werden und somit die Bemessungsgrundlage („Auf was für ein Vermögen wird der Erbschaftssteuertarif angewandt““) für die Erbschaftssteuer verbreitert, dafür aber ein einheitlicher („flat“) oder zumindest geringerer Steuersatz angesetzt wird. Dieses wäre dann zu verbinden mit Vereinfachungsregelungen im Bewertungsbereich. Dieses Modell ist im Übrigen nicht neu. Bündnis 90/Die Grünen haben dieses Modell bereits 2016 mit einem Steuersatz von 15% gefordert, während sich die FDP-NRW für ein Flat-Tax-Modell mit einem Steuersatz von 10% ebenfalls 2016 ausgesprochen hat.

Das Modell soll an dem folgenden sehr vereinfachten Beispiel (ohne Freibeträge) verdeutlicht werden (mit Options-und Regelverschonung):

Flat-Tax-Modell

Verwaltungsvermögen, also vereinfacht gesagt das Vermögen, das nicht betriebsnotwendig ist (nicht betrieblich genutzte Immobilien etc.), darf bei der Regelverschonung 90 Prozent, bei der Optionsverschonung 20 Prozent nicht überschreiten.

Erhöht man in dem Beispiel das Verwaltungsvermögen, kommt nur die Regelverschonung in Betracht:

Flat-Tax-Modell

Eine generelle Aussage, ob letztendlich die bisherige Belastung im Vergleich zu einer Flat-Tax-Belastung höher ist, kann nicht getroffen werden. Frühere Belastungsrechnungen haben allerdings gezeigt, dass Erben geringerer Vermögen relativ mehr belastet werden. Bei kleineren Vermögen sind jedoch auch höhere Freibeträge als Ausgleich denkbar. Bei höheren Vermögen sind die absoluten Beträge höher und können nach dem derzeitigen Recht bei Steuertarifen von bis zu 50% konfiskatorisch sein. Eine Flat-Tax-Rate etwa von 10% mit den entsprechenden Steuerauswirkungen kann sehr gut bei der Unternehmensliquiditätsplanung berücksichtigt werden. Auch die Akzeptanz in der Bevölkerung müsste hoch sein: Wer mehr hat, zahlt letztlich auch absolut mehr.

Bei den früheren Vorschlägen zur Flat-Tax-Erbschaftssteuer wandte der damalige parlamentarische Staatssekretär im Finanzministerium Michael Meister ein: “Eine Flat-Tax wollen Sie doch sicher nicht, da es dann doch für jede Regierung verführerisch ist, einfach die Rate zu erhöhen, um mehr Steuern zu erzielen!“ Dieses Argument zählt allerdings bei allen Steuern, da jede Steuer mit einem Tarif verbunden ist, und deshalb zählt das Argument gerade nicht.

Die Erbschaftssteuer als Flat-Tax-Steuer könnte zu einer Win-Win-Situationin den Koalitionsverhandlungen führen. Deshalb:

Es lohnt sich, die Erbschaftssteuer als Flat-Tax-Steuer bei den Koalitionsverhandlungen nicht zuletzt als Konfliktlöser in besonderen Augenschein zu nehmen.